Peter Anderegg    

April 2021 / März 2019

Den EU-Rahmenvertrag unterzeichnen – Punkt!



Das jahrelange Lavieren um einen Rahmenvertrag mit der Europäische Union (EU) macht langsam müde. Wir leisten uns eine Diskussion, die sich schon längst in einer Nabelschau erschöpft. Wir diskutieren mit uns selbst Banalitäten und gefährden damit ohne Not unsere erfolgreiche Zusammenarbeit in der Wirtschaft, Bildung und Forschung. Wir streiten über die Bereiche Lohnschutz, staatliche Beihilfen und Unionsbürgerrichtlinie – je nach politischer Couleur über das eine oder andere. Das spricht eigentlich für einen guten Kompromiss. Gestehen wir uns doch endlich ein: Mit mehr als einem Bein steht die Schweiz schon längst in der EU – und darum sollten wir auch vorwärts machen mit dem Rahmenabkommen. Im Tages Anzeiger vom 16.2.2019 sagte der Präsident des Europa-Instituts und ehemalige Regierungsrat Markus Notter zum Rahmenabkommen: «Man sollte den Vertrag unterzeichnen und ratifizieren». Da bin ich gleicher Meinung und finde, wir sollten weitere Schritte gehen Richtung EU, auch wenn das zur Zeit nicht mehrheitsfähig ist. Gerade die Schweiz hätte die richtigen Voraussetzungen mit ihrer Mehrsprachigkeit und dem föderalen System der 26 «Staaten», die im Bundesstaat zusammengefasst sind.

Gerade jetzt sollten wir diese weiteren Schritte unternehmen, nachdem Grossbritannien ausgetreten ist, Politiker östlicher EU-Staaten die EU verhöhnen und bald nur noch Frankreich und Deutschland zu diesem einmaligen Projekt stehen und es wiederbeleben wollen. Der EU-Geburtsfehler, vor einer politischen Union eine Wirtschaftsunion zu gründen, ist historisch zwar verständlich, aber hinderlich auf dem Weg zu einer föderalen, politischen Einheit – und vor allem: korrigierbar. Dazu müssen wir nicht sofort die Nationen abgeschaffen, auch wenn sie in ferner Zukunft in dieser Form wohl obsolet werden und Regionen und Städte an ihrer Stelle wichtige Funktionen in einem föderalen Europa übernehmen. Europa und die reformbedürftige EU sind die einzige Chance, die wir haben auf diesem Kontinent: gesellschaftlich, kulturell, wirtschaftlich, aussenpolitisch und militärisch. Sie sind die Grundlage für eine Zukunft in Frieden und Wohlstand – auch in der Schweiz.

Zwar schwatzen Schweizer Politiker und Politikerinnen von der Wichtigkeit dieses Europas, jedoch fast niemand wagt einen mutigen Schritt in Richtung dieses Europas. Oft stehen Parteiräson und Klientelpolitik den Problemlösungen im Weg. Wo sind sie geblieben, die «Europhilen», die sich einst stark machten für einen EU-Beitritt? Einzelne Intellektuelle, wenige Politiker, die Operation Libero oder Avenir Suisse mit dem Weissbuch Schweiz «Sechs Skizzen der Zukunft» wagen den Unionsgedanken weiterzuspinnen. National-, Stände- und Bundesräte der FDP, GLP und SP sollten den Lead übernehmen, um die Schweiz näher an Europa zu binden, sich klar hinter das Rahmenabkommen stellen – und ein erneutes EU-Beitrittsgesuch zu stellen.

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